Mich hat’s erwischt.
429.940 Menschen in Österreich waren Ende Jänner 2025 beim AMS als erwerbslos gemeldet oder haben an Schulungen teilgenommen.
Arbeitslosigkeit kann jede*n erwischen.

429.940 Menschen in Österreich waren Ende Jänner 2025 beim AMS als erwerbslos gemeldet oder haben an Schulungen teilgenommen.
Arbeitslosigkeit kann jede*n erwischen.
Ausgangslage – Zahlen und Fakten:
Eine aktuell vieldiskutierte Strategie zur Bekämpfung von lang andauernder Erwerbslosigkeit ist ein Modell der Arbeitslosenversicherung, bei dem sich die Nettoersatzrate mit der Dauer der Erwerbslosigkeit schrittweise verringert. Ein solches degressives Modell wird von Expert*innen aus der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Sozialforschung aus zahlreichen Gründen kritisiert. Zunächst ist festzuhalten, dass es ein Irrglaube ist, dass sich die Auszahlung von Arbeitslosengeld negativ auf die Jobsuche auswirkt. Wenn der Bezug des Arbeitslosengeldes zu niedrig ist oder ganz ausläuft, gehen die Betroffenen in andere soziale Sicherungsnetze über, wie in die Mindestsicherung oder die Notstandshilfe. Eine Folge davon kann sein, dass sie sich völlig vom Arbeitsmarkt zurückziehen.
Langzeitbeschäftigungslosen Menschen das Geld zu kürzen hat also nicht zur Folge, dass sie deshalb eher Arbeit finden. Zusätzliche Sanktionen würden die Beschäftigungsintegration nicht verbessern, sondern einen vermehrten Rückzug aus dem Arbeitsmarkt verursachen. Aus Studien sowie der Praxis ist hinlänglich bekannt: Je länger die Arbeitslosigkeit andauert, desto größer wird das Armutsrisiko. Alleine aus diesem Grund scheint es kontraproduktiv, immer weniger Geld auszubezahlen, je länger jemand erwerbslos ist. Menschen verlieren mit der Dauer der Erwerbslosigkeit rapide ihr Erspartes, was auch Ökonom*innen dazu veranlasst, sich gegen ein degressives Modell zu stellen – denn weniger Haushaltseinkommen bedeutet weniger Konsum. Außerdem führt eine gute finanzielle Absicherung während der Erwerbslosigkeit dazu, dass die Menschen mehr Zeit und Energie dafür aufwenden können, einen passenden Job zu suchen.
Positionierung der Volkshilfe zum degressiven Modell:
Die Volkshilfe lehnt die Logik eines degressiven Modells des Arbeitslosengeldes ab, weil es dem Grundgedanken der Arbeitslosenversicherung als gleiches Recht für alle widerspricht und Personen aus vulnerablen Gruppen, die nicht oder nur teilweise arbeitsfähig sind, systematisch benachteiligt. Die Volkshilfe lehnt ein degressiv gestaltetes Arbeitslosengeld, welches in der niedrigsten Degressionsstufe unterhalb der derzeit gültigen 55%igen Nettoersatzrate liegt, klar ab.
Ausgangslage – Zahlen und Fakten:
11% der Arbeitssuchenden befinden sich in geringfügiger Beschäftigung. Die Menschen in dieser Gruppe weisen ein besonders hohes Armutsrisiko auf: Zwischen 63 und 75 % der Erwerbslosen mit Zuverdienst sind armutsgefährdet. Mehr als 80% von ihnen verfügen über ein monatliches Einkommen von unter 1.000 Euro, während dies in der Gruppe jener, die nicht dazuverdienen, „nur“ bei 66% der Fall ist. Vor allem Erwerbslose mit Kindern sind häufig auf den Zuverdienst angewiesen, um die Existenz ihrer Familien zu sichern: 40% der Beschäftigungslosen, die dazuverdienen, haben eine Versorgungsverpflichtung gegenüber Kindern unter 15 Jahren.
Neben der finanziellen Dimension kann eine geringfügige Beschäftigung auch aus anderen Gründen vorteilhaft für die Betroffenen sein. Gelegenheitsjobs haben eine psychologische Bedeutung, denn sie sind für viele die einzige Möglichkeit aufmsoziale Kontakte, eine Strukturierung des Alltags, auf Selbstwirksamkeit und Sinnstiftung. Dass sich der Zuverdienst immer negativ auf die Jobsuche auswirkt wird von einer Studie des SORA Instituts widerlegt. Beinahe alle aus der Gruppe jener, die dazuverdienen, nämlich 97%, bemühen sich auch mit Zuverdienst aktiv um einen Job. Vor allem bei längerer Erwerbslosigkeit können Gelegenheitsjobs ein schrittweises Zurückkehren in den Arbeitsmarkt erleichtern. Nebenjobs schaffen oft Netzwerke und leisten somit einen Beitrag dazu, schneller wieder Arbeit zu finden, wie eine Studie des WIFO zeigt.
Positionierung der Volkshilfe zum Zuverdienst:
Die Volkshilfe spricht sich gegen eine Abschaffung oder Einschränkung der Möglichkeit zum Zuverdienst aus.
Angesichts des niedrigen Arbeitslosengeldes und der geringen Notstandshilfe ist der Zuverdienst für viele Erwerbslose die einzige Möglichkeit über die Runden zu kommen. Nebenjobs können außerdem wichtige psychologische und soziale Funktionen erfüllen. Das Wegfallen der Zuverdienstmöglichkeit würde das Armuts- und Ausgrenzungsrisiko der Betroffenen, ihrer Familien und Kinder deutlich erhöhen, sowie die Chancen wieder einen Job zu finden verringern.
Ausgangslage – Zahlen und Fakten:
In der Debatte um die Reform der Arbeitslosenversicherung werden immer wieder Stimmen laut, die Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmung, beispielsweise eine Verlängerung von Wegzeiten, oder einen Vermittlungszwang in ganz Österreich, fordern. Aufgrund von Betreuungspflichten oder gesundheitlichen Faktoren lässt sich dies jedoch nicht mit den Lebensrealitäten der Menschen vereinbaren. Während der letzten 20 Jahre sind die Zumutbarkeitsbestimmung in Österreich immer wieder verschärft worden. Das führte dazu, dass Arbeitslose bereits heute eine teils unüberschaubare Anzahl an Vorschriften und Regeln befolgen müssen, um Arbeitslosengeld beziehen zu können.
Sowohl sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse, als auch die sozialarbeiterische Praxis bestätigen: Betroffene leiden bereits jetzt unter den zahlreichen Zwängen und teils widersprüchlichen Anforderungen, mit denen sie konfrontiert sind. Dies führt zu großen Widerständen und Unzufriedenheit bei den Menschen – sie fühlen sich ungerecht behandelt, da sie sich unverschuldet in teilweise unzumutbaren Situationen wiederfinden. Aus der Arbeitsmarktforschung ist bekannt, dass sich durch Verschärfungen der Zumutbarkeitsbestimmungen keine nennenswerte Reduktion der Arbeitslosigkeit erzielen lässt. Stattdessen führen striktere Zumutbarkeitsbestimmungen zu einer weiteren Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.
Positionierung der Volkshilfe zu strengeren Zumutbarkeitsbestimmungen:
Die Volkshilfe spricht sich klar gegen eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen aus.
Ein zentraler Aspekt, der in der Debatte um eine Reform der Arbeitslosenversicherung oftmals vergessen wird ist, dass Verschärfungen im ersten sozialen Netz (Sozialversicherung, Arbeitslosenversicherung) immer auch Auswirkungen auf das zweite soziale Netz haben (Mindestsicherung, Sozialhilfe). Bei strengeren Vorschriften bedeuten weniger Arbeitslose nicht automatisch mehr Beschäftigte, sondern mehr Armutsgefährdete bzw. -betroffene, die Sozialhilfe oder Mindestsicherung beziehen. Somit werden Verschärfungen im System der Arbeitslosenversicherung dazu führen, dass das „zweite soziale Netz“ stärker belastet wird als bisher.
Um mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen, muss an den Rahmenbedingungen angesetzt werden, anstatt den Druck auf die Betroffenen zu erhöhen. Arbeitslosigkeit ist ein gesellschaftliches Problem, das nach gesamtgesellschaftlichen Lösungen verlangt. Wir brauchen Lösungsmodelle, die die Ursachen von Arbeitslosigkeit bekämpfen und nicht arbeitslose Personen selbst. Eine Reform der Arbeitslosenversicherung darf keines falls weitere Verschlechterungen für die ohnehin bereits stark armuts- und ausgrenzungsgefährdete Gruppe der Langzeiterwerbslosen bringen. Im Gegenteil: es braucht dringend Verbesserungen in diesem Bereich.
Der deutliche Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Armutsgefährdung belegt, dass 55% Nettoersatzrate deutlich zu wenig ist. Erwerbslosigkeit darf nicht automatisch zu Armut führen. Deshalb fordert die Volkshilfe eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf mindestens 70% Nettoersatzrate.
Wir brauchen gesellschaftliche Rahmenbedingungen, welche es allen Menschen ermöglichen, ihr Recht auf gute Arbeit in Anspruch zu nehmen. Dies ist im derzeitigen System der Arbeitslosenversicherung nicht der Fall und würde sich durch weitere Verschärfungen deutlich verschlechtern. Insbesondere für jene, die aufgrund von verschiedenen altersbedingten, körperlichen oder psychischen Einschränkungen nicht oder nur teilweise arbeitsfähig sind, muss das Recht auf gute Arbeit gewährleistet werden. Dies ist am freien Markt meist nicht möglich – entweder, weil die Arbeitsbedingungen für diese Gruppe nicht zumutbar sind, oder, weil sie aufgrund der hohen Konkurrenz durch andere Arbeitnehmer*innen nicht eingestellt werden. Für diese Menschen braucht es Angebote längerfristiger, dauerhafter Arbeit, wie es beispielsweise in den sozialökonomischen Betrieben derVolkshilfe der Fall ist. Um solche Angebote weiter ausbauen zu können, braucht esmehr finanzielle Ressourcen in diesem Bereich.
Das AMS ist eine wichtige Anlaufstelle für Arbeitssuchende und erfüllt im System der Arbeitslosenversicherung eine essentielle Funktion. Nur, wenn das AMS genügend Mittel zur Verfügung hat, können offene Stellen auch erfolgreich an arbeitssuchende Personen vermittelt werden. Um hinreichend auf die individuellen Lebensumstände, Biographien und Bedürfnisse der Klient*innen eingehen zu können, braucht es dringend mehr Ressourcen in der Arbeitsvermittlung.
Eine Reform der Arbeitslosenversicherung muss das Ziel haben, die Situation von langzeitbeschäftigungslosen Personen zu verbessern – durch existenzsichernde Erwerbsarbeit, ausreichende Ressourcen in der Arbeitsvermittlung und ein armutsfestes Arbeitslosengeld.
Umfrage Langzeitarbeitslogiskeit in Wien
Ergebnis | Presseaussendung
Mit deiner Spende kannst du unsere Projekte gegen Arbeitslosigkeit unterstützen:
AT70 5400 0000 0023 2009