#frauenerzählen – Auweh, auweh

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Foto: Bret Kavanagh_Unsplash

„Auweh, auweh“

von Lena

Ich möchte von einem Fall erzählen, wo ich als Betreuerin gearbeitet habe. Zuerst war es traurig, aber später wurde es lustig.

Einberufen wurde ich für mehrere Wochen als Ersatz für einen Kollegen. Ich fand einen Mann im Bett vor, 51 Jahre alt, 1,95 m groß, 85 bis 90 kg schwer. Von seiner Mutter sehr gut mit Vitaminen und Proteinen ernährt, war er den Umständen entsprechend fit.

Vor 21 Jahren endete der Lebenstraum dieses Mannes mit einem Motorradunfall. Beim ersten Sichtkontakt lief mir das Wasser kalt den Rücken hinunter. In diesem Moment wusste ich ehrlich gesagt nicht, wen ich mehr bemitleiden sollte. Ihn, der wie eine kaputte Pflanze im Bett lag, oder seine Mutter, die davor kniete und vor Schmerzen fast zusammenbrach, oder mich, die in jeder Hinsicht zum ersten Mal mit einem sehr, sehr schwierigen Fall konfrontiert war.

In der Mitte des Zimmers stand das Krankenbett, in dem dieser Mann ohne Hoffnung und Lebenswillen in den Augen lag. An der Wand hinter ihm ein Regal, wo man alle Materialien finden konnte, die er brauchte: Infusionen, Katheter usw. Die ersten Tage waren ein Albtraum für mich, weil ich nicht wusste, wo ich anfangen und wo ich aufhören sollte, aber ich lernte.

Hier gab es keine Pause. Ich musste ihn alle drei Stunden von einer Seite auf die andere drehen, 24 Stunden von 24, 7 Tage von 7. Ich fand die Notiz eines Betreuers mit den Worten: „Wenn Sie ihn ‚Auweh, auweh‘, rufen hören, gehen Sie zu ihm“, stand da. Das habe ich auch gemacht.

Wie gesagt, die ersten Tage waren hart. Ich organisierte meine Arbeit so gut ich konnte. Nachts war es schwierig, weil er schwitzte „wie ein Pferd“. Ich hatte noch nie zuvor einen Menschen so schwitzen sehen!

Wenn ich sehr müde war, vertrat mich seine Mutter für ein paar Stunden. Ich machte jeden Tag seine Körperhygiene –das war bei einem völlig gelähmten Menschen mit vielen Schläuchen gar nicht so einfach. In der ersten Woche hörte ich ihn jeden Morgen weinen und Gott bitten, ihn zu sich zu nehmen, weil sein Leben für ihn keinen Sinn mehr hatte. Ich kann Ihnen ehrlich sagen, dass es in diesem Haus eine Traurigkeit gab, dass sogar jeder Gegenstand traurig war.

Bis ich meinen Auftritt hatte. Nach einer Woche lachten wir beide so viel, dass auch das Gesicht seiner Mutter zu leuchten begann. Sie hatte ihren Sohn seit 20 Jahren nicht mehr laut lachen sehen. Langsam ging die Sonne auf und das Leben in diesem Haus machte Sinn.

Eines Tages sagte er zu mir, ich solle ihm Unsinn in rumänischer Sprache beibringen, wie zum Beispiel das Wort für sein Geschlechtsteil. Ich lachte und übersetzte es für ihn. Jedes Mal, wenn er, „Auweh, auweh“, sagte, fragte ich ihn, was ihm wehtue, woraufhin er mit dem neu gelernten Wort antwortete und ich lachen musste.

Als eines Tages die Therapeutin kam, sagte er immer wieder „Auweh, auweh, puța“. Ich saß in der Küche und lachte, als ich es hörte. Nachdem die Therapie zu Ende war, kam sie um mich zu fragen, was ihm denn seiner Meinung nach wehtue, worauf ich sagte: „Seine Seele …“