#frauenerzählen – Wo ist mein Kind

null

Foto: Lisa-Marie Liebig_Unsplash

Wo ist mein Kind?

von Daniela

Ich stelle mich erst mal vor: Mein Name ist Daniela, ich bin 34 Jahre alt und komme aus Rumänien. Ich lebe seit zehn Jahren in Österreich, bin verheiratet und habe vier Jungs. Der Älteste ist in Griechenland geboren, die drei anderen hier in Österreich.

Ich bin nach der Hochzeit mit meinem Mann im Jahr 2009 nach Griechenland gegangen. Es war eine spontane Entscheidung. Er hatte dort einige Zeit gelebt, bevor wir uns kennenlernten und er sagte, dass es besser sei, in ein anderes Land zu gehen, weil wir in Rumänien keine Zukunft hätten.

Wir machten uns auf den Weg. Ich habe mit dem Geld von der Hochzeit Bustickets gekauft und gedacht, dass es für die Reise und zum Leben reichen würde, bis wir in zwei … drei Wochen Arbeit finden.

Wir kamen in Griechenland an und ich rief einen Freund an, mit dem ich vorher gesprochen hatte, um bei ihm zu wohnen. Dieser Freund sagte uns, dass er für einen Monat nach Rumänien gehen werde und ließ uns für diese Zeit im Haus bleiben.

Als er zurückkam, hatten wir zwar angefangen zu arbeiten, aber wir hatten die Gehälter nicht erhalten, also hatten wir kein Geld. Er sagte, wir könnten nicht mehr bleiben, weil er seine Familie mitgebracht hatte und es keinen Platz für alle gab.

Also nahmen wir unsere Taschen und gingen, aber wir fragten uns: Wohin sollen wir gehen? Einige Sinti und Roma lebten in der Nähe, sie hatten ein verlassenes Zimmer in der Nähe ihres Hauses und wir fragten sie, ob wir dort bleiben könnten. Sie sagten, wir könnten dort leben, bis die Gehälter kommen und wir ein Haus mieten können.

Ich war zu dieser Zeit mit meinem ersten Kind schwanger, aber ich wusste es nicht, bis mir eines Morgens schwindelig wurde und ich in Ohnmacht fiel, als ich zur Arbeit gehen wollte. Ich ging deshalb zum Arzt und so habe ich erfahren, dass ich schwanger war.

Ein paar Monate später habe ich einen Ultraschall gemacht und festgestellt, dass ich Zwillinge haben werde. Ich habe zwei Herzschläge gehört, mein Mann und ich waren so glücklich! Überall hat er erzählt, dass er Zwillinge haben würde.

Alle Ultraschalluntersuchungen in verschiedenen Krankenhäusern zeigten, dass alles okay war und dass ich einen Jungen bekommen werde, aber der andere war nicht zu sehen, weil er verdreht lag. Alles war in Ordnung, bis eines Tages meine Fruchtblase platzte und ich ins Krankenhaus musste. Als ich dort ankam, machten sie einen Ultraschall und sagten, dass ich operiert werden muss, weil ich zu Zwillingen schwanger war und ich nicht in der Lage sein werde, normal zu gebären.

Als ich nach der Operation aufwachte, hatte ich nur ein Kind. Mir wurde gesagt, dass es nicht zwei, sondern nur ein großes gewesen wäre. Es wog 3880 Gramm. Sie hatten meinen Mann nicht in den Operationssaal gelassen und als er die Geschichte hörte, fing er an, sich zu streiten und die Polizei zu verständigen – aber leider ohne Ergebnis.

Nach drei Wochen bezahlte ich einen Anwalt und gab ihm alle Bilder der Ultraschalluntersuchungen. Er sagte uns, dass wir recht hatten. Nach einem Monat rief ich ihn an und fragte, ob er irgendetwas gelöst habe, weil er versprochen hatte, das Krankenhaus zu besuchen, um weitere Einzelheiten zu erfahren. Er ging ans Telefon und sagte, dass er den Fall nicht weiterverfolgen könne … ohne Grund.

Ich rief erneut die Polizei an, aber auch vergeblich. Wir gingen zum Arzt, um die Ultraschallbilder zu verlangen, aber er sagte uns, dass er sie nicht mehr hätte –ohne Grund. Auch mit ihm fing mein Mann zu streiten an, denn wir wollten Gerechtigkeit, aber auch das war umsonst.

Ich ging nach Hause und wusste, dass ich noch einige Kopien der Ultraschallbilder hatte, aber ich konnte auch diese nicht finden. Ich glaube, jemand war schon einmal bei uns zu Hause und nahm sie mit.

Wir fanden nur ein Exemplar, aber darauf war nichts gut sichtbar. Wir gingen zu einem anderen Anwalt, aber er sagte uns, dass wir mit diesem Papier allein nichts erreichen würden. Es gab keine Untersuchungsbilder mehr im Krankenhaus, niemand wusste etwas, also konnten wir nichts mehr tun.

Jetzt haben wir die vier Jungs, uns geht es gut, aber ich denke auch an den anderen, was mit ihm passiert sein könnte, denn damals wurden jeden Tag Kinder gestohlen!

Nach ca. vier Jahren sind wir weggezogen, weil dort nichts mehr los war. Meine Mutter hatte schon einige Zeit hier in Österreich gelebt und uns gesagt, wir sollen kommen, so sind wir hier gelandet.

Jetzt danken wir Gott, dass es uns gut geht und ich lebe in der Hoffnung, dass es meinem anderen Kind vielleicht genauso geht.